Beschreibung
1988, Gebunden Hardcover.
Der Berliner Künstler Gerd Umbach (geb. 1949) gehört mit zahlreichen Publikationen zu einem der großen Chronisten der Zeit, der achtziger und neunziger Jahre, er entwarf mit seinen Tuschezeichnungen ein ebenso humorvolles wie satirisches bis beißend kritisches Bild der letzten Jahre der Bonner Republik und der ersten Jahre des wiedervereinigten Deutschland. --- Die Zeichnungen (53 der wohl ursprünglich 59 vorhandenen) in schwarzer Tinte auf (etwas säurehaltigem, leicht gebräuntem) Kartonpapier stellen einen Parforceritt durch die Gesellschaft der Berliner achtziger Jahre da - aus der Perspektive des Prekariats. Ernst und Willi, der kleine Schwarzhaarige und der mit der karierten Schiebermütze, streifen durch das "arme Berlin", vorbei an Kirchen und Palästen, besuchen Schmierentheater und Striptease-Bars, sehen blutrünstige Kinofilme, blinzeln über Gefängnismauern, tauchen ins öffentliche Schwimmbad ab, wo sie mit der Badenixe reden, gehen in Kneipen und Bars, spielen Flipper und fragen ihre Zeitgenossen über ihr Leben aus, was sie der "offiziellen" Statistik der Bundesrepublik gegenüberstellen. --- Auf dreien der Zeichnungen wurden verso Blätter mit den entsprechenden handschriftlichen Texten des Autors montiert: "Das ist das bekannte Spiel mit dem Geldstück. Man muß raten unter welchem Becher es zu liegen kommt, nachdem er es mit flinken Bewegungen hin und herschiebt
Apropro, weißt du wieviel Gesamtumsatz in der BRD gemacht wird?". --- Die Überangebote in den Supermärkten Westberlins, die Autoabgase, die Militärschaus mit Panzer, westliche Plattenbauten, das Anstehen am Arbeitsamt, eine Friedenskonferenz, Gefängnisse, Krankenhäuser und Ärzte nur für Privatpatienten ("Dr. Goldnase nur Privatpatienten") werden ebenso thematisiert wie die Obdachlosen, Penner und Trunkenbolde im Park vor der bourgeoisen Einkaufsmeile, die Currywurstbude, die Hütchenspieler, die ihr Kind versohlende Mutter oder der einen Mercedes ankläffende Köter. --- "Der Künstler versteht seine Bilder nicht als Metapher, er 'erzählt' von Situationen, die an die menschliche Existenz rühren. Die stark schwarz-weiß kontrastierenden, ausdrucksvollen Schnitte erinnern an die Frans Masereels" (Marion Pietrzok). Zu seinen höchst erfolgreichen Veröffentlichungen und Illustrationsfolgen gehören u.a. die folgenden Titel: Zeichnerische Gedanken zur Wohlstandsgesellschaft von Gerhard Umbach (1989). - Ernst und Ali machen Statistik: 59 Zeichnungen mit statistischen Zahlen aus der BRD in Dialogform von Gerd Umbach (1990). - Raketenbrevier. Kohlezeichnungen von Gerd Umbach (1990). - Konzentrationslager. 70 Holzschnitte von Gerd Umbach (1990). - Modernes Märchen. Werbewelt und Wirklichkeit. Holzschnitte von Gerd Umbach (1991). - 1993 veröffentlichte Umbach das Buch Kunst und Armut. Berliner realistische und kritische ZeichnerInnen. "Ganz nah an den Kiez geht die Ausstellung, die der Künstler und zeitweise Obdachlose Gerd Umbach im Rahmen eines ABM-Projekts des Sozialamtes Prenzlauer Berg organisiert: 'Kunst und Armut'" (G. Sonnenberg), "Kleine scharfe Schnitte im Stil der Gespräche dort und der Sehnsüchte - das hat noch nie jemand so dargestellt, so erfunden, so ins Holz geschnitten" (R. Hiepe). --- Beigegeben: 3 eigenhändige Briefe des Autors an den Künstlerkollegen, den bekannten Berliner Maler und Bildhauer Rudolf Heltzel (1907-2005). Widmungsschreiben (1 Seite), in dem Umbach sein Album Heltzel widmet und ein ausführlicher Brief aus Slowenien an denselben in 2 Blättern (4 Seiten), ferner 2 originale Zeichnungen des Künstlers als aquarellierte Graphitentwürfe, ferner Kopien und weiteres Material.
30, 5 x 27,8 cm, originaler Pappband, Album mit 53 (50 einmontierten) originalen Feder- und Tuschezeichnungen von Gerd Umbach, alle monogrammiert "GU". Jeweils ca. 24 x 17 cm bis 29 x 20 cm. Auf etwas säurehaltigem, leicht gebräuntem Kartonpapier. Originalmanuskript des Bildromans "Ernst und Willi machen Statistik", der 1990 unter dem etwas veränderten Titel "Ernst und Ali machen Statistik: 59 Zeichnungen mit statistischen Zahlen aus der BRD in Dialogform von Gerd Umbach" (Berlin, Linie-Verlag, 1988) erschien. --- Einige der Zeichnungen mit weißen Korrekturaufträgen, Bildträger leicht gebräunt, insgesamt sehr sauber und frisch. Unter dem montierten Titelblatt auf dem Album eine Widmung: "Für Rudolf Heltzel von Gerd Umbach 1996"
Berlin, 1988.